Im Warmen sitzen und etwas Heißes trinken für kleines Geld, Wäsche waschen oder auch Computer und freies WLAN nutzen – die Gründe für einen Besuch der Teestube Konkret in Darmstadt sind vielfältig. Auch Volker schaut regelmäßig vorbei und das schon seit Ende der 90er Jahre. „Seit drei Jahren habe ich eine Wohnung im Schwarzen Weg. Trotzdem komme ich gerne in die Teestube“, erzählt er. „Ich kann mich hier aufhalten, ohne große Investitionen für Kaffee zu tätigen, treffe alte Bekannte und manchmal gibt es kulturelle Angebote. Wenn ich mal nicht weiterweiß, bekomme ich auch Hilfe, außerdem behandelt man mich hier respektvoll.“ Die Teestube Konkret ist eine von fünf Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe der Regionalen Diakonie Darmstadt-Dieburg. Die ambulante Beratungsstelle mit angegliedertem Tagesaufenthaltsbereich kümmert sich um Menschen in Wohnungsnot.
Leiterin Nicole Frölich kennt die Teestube schon seit ihrem Studium. „Ich habe eins meiner ersten Praktika in der Teestube gemacht. Damals kannten wir noch jede Besucherin und jeden Besucher, alles war recht überschaubar. An Tagen, an denen es voll war, kamen maximal 30 bis 40 Personen“, berichtet Frölich. „Heutzutage besuchen uns auch mal 85 bis 90 Personen“. Seit 21 Jahren arbeitet die Sozialpädagogin mittlerweile in der Teestube. Zudem verantwortet sie seit 2012 den gesamten Bereich Wohnungsnotfallhilfe bei der Regionalen Diakonie Darmstadt-Dieburg. Doch nicht nur die Zahl der Besucherinnen und Besucher ist größer geworden, auch ihre Bedürfnisse sind unterschiedlicher. „Manche wärmen sich auf und halten ein Schwätzchen bei Kaffee oder Tee. Andere kommen zur Beratung, holen ihre Post ab oder lassen sich in der Straßenambulanz medizinisch versorgen“, beschreibt Frölich.
LWV-FACHTAG: BLICK ÜBER DEN TELLERRAND
Mit rund 60 anderen Expertinnen und Experten der ambulanten Wohnungslosenhilfe ging Frölich jetzt bei einem Fachtag des LWV Hessen in den Austausch. Im Mittelpunkt der Veranstaltung im Kasseler Ständehaus stand die Wohnungsnotfallhilfe. „Das unterste Netz“, wie es Frölich eindringlich beschreibt. „Nach uns kommen nur noch die Straße, das Krankenhaus und der Friedhof.“ Ulrike Gote, Erste Beigeordnete des LWV Hessen, lud die Teilnehmenden ein „sich mit allem einzubringen und Lösungen zu entwickeln, die in der Praxis nottun.“
„Das Wichtigste ist Kreativität und immer gute Angebote für die Betroffenen zu finden“, berichtete ein Teilnehmer aus der Praxis. Besondere Herausforderungen für die Beschäftigten der Wohnungsnotfallhilfe seien die steigende Zahl an psychisch kranken Menschen, die zunehmende Aggression und Sprachbarrieren. Der Fachtag bot die Gelegenheit, aktuelle Probleme zu benennen, konkrete Lösungsansätze zu finden und zukunftsweisende Weichen zu stellen. Stephan Lichtblau, Leiter für den Funktionsbereich Leistungen nach § 67 SGB XII beim LWV Hessen, stellte als Fazit abschließend fest: „Man muss das System an die Leute bringen und danach die Leute in das System.“
Als ein wichtiger Bestandteil der ambulanten Wohnungslosenhilfe wurde die Vernetzung hervorgehoben. Auch für Frölich ein wichtiger Aspekt: „Mir ist es immer wichtig zu schauen, was andere machen, wie sie Probleme lösen. Kolleginnen und Kollegen von anderen Trägern und Fachberatungsstellen kennenzulernen und sich über die Arbeit auszutauschen, das war super spannend und auch sehr lehrreich.“
KEINE FAMILIE, KEINE FREUNDE: VIELEN FEHLT DAS MITEINANDER
Erkenntnisse, die sie jetzt wieder in die Teestube mitnimmt. Und für Klienten wie Oguz nutzen kann. Er wohnt seit eineinhalb Jahren in einer eigenen Wohnung und erhält sozialpädagogische Unterstützung (§ 67 SGB XII) bei der Bewältigung seines Alltags. Davor lebte er im Z14, einem Wohn- und Übernachtungsheim für wohnungslose Männer in Darmstadt. Die Teestube gehört weiterhin zu seinen Anlaufstellen. „In der Teestube wasche ich meine Wäsche. Im Frühjahr nehme ich gerne an den angebotenen Fahrradtouren teil. Den ganzen Tag alleine halte ich nicht aus. Um Leute zu treffen, gehe ich auch zu ‚ZwischenRäume Darmstadt‘. Dort besuche ich einen Kochkurs“, erzählt Oguz.
„Die Menschen, die zu uns kommen, haben oft keine Familie oder Freunde. Gemeinsam Geburtstag oder Weihnachten feiern, gibt es für sie nicht. Isoliert zu sein und sich nicht als Teil einer Gemeinschaft zu fühlen, ist eine sehr große soziale Schwierigkeit“, sagt Frölich. „Das gilt es in einer Einrichtung wie der Teestube aufzubrechen. Auch, den Menschen wieder einen Sinn im Leben zu geben. Bei uns können sie sich in die Gemeinschaft einbringen, indem sie kleine Aufgaben übernehmen. Das baut das Selbstbewusstsein auf und gibt ein Gefühl von Wertigkeit.“ Auch Volker hilft gerne mit. „Jetzt im Herbst fege ich das Laub im Hof zusammen. Sonntags gehe ich immer in die Kirche. Bald gibt es dort einen Brunch. Da helfe ich dann beim Tische aufbauen.“
ZUSATZINFO: WOHNUNGSLOSIGKEIT UND LWV-UNTERSTÜTZUNG
Rund 26.000 wohnungslose Menschen waren zum 31. Januar 2024 in Hessen in Notunterkünften untergebracht. Nicht erfasst in der Statistik sind die Menschen, die nicht institutionell versorgt sind, also auf der Straße leben oder anderweitig, etwa bei Bekannten, unterkommen. Die tatsächliche Zahl ist dementsprechend wahrscheinlich deutlich höher. All diesen Menschen stehen die Angebote der Wohnungslosenhilfe niedrigschwellig zur Verfügung.
Der Verwaltungsausschuss des LWV hat gerade erst beschlossen, im laufenden Jahr die Fachberatungsstellen und Tagesaufenthaltsstätten für alleinstehende Wohnungslose in Hessen mit insgesamt 13,57 Millionen Euro zu fördern. Für diese Aufgaben stellt der LWV als überörtlicher Träger der Sozialhilfe rund 761.500 Euro mehr zur Verfügung als im vorigen Jahr. Die Teestube der Regionalen Diakonie Darmstadt-Dieburg wird dabei mit fast einer halben Million Euro unterstützt.