Auf dem Bild zu sehen ist eine Nahaufnahme des Stolpersteins für Dr. Alfred Dellevie.
Neuer Stolperstein vor der LWV-Hauptverwaltung am Ständeplatz in Kassel.

Alfred Dellevie: inhaftiert, schikaniert, gestorben

Stolperstein vor der LWV-Hauptverwaltung erinnert jetzt

Eine glänzende Messingtafel im Gehweg, direkt vor der LWV-Hauptverwaltung am Ständeplatz, erinnert nun an den 1884 geborenen jüdischen Rechtsanwalt Dr. Alfred Dellevie, der mit seiner Mutter lange an diesem Ort wohnte. Am Kasseler Wilhelmsgymnasium hatte er Abitur gemacht, anschließend studierte er ebenso wie sein Bruder Theodor Jura und wurde 1911 zur anwaltlichen Tätigkeit zugelassen. Als Rechtsanwälte gehörten die Brüder jedoch einer Berufsgruppe an, von der Juden bereits in den ersten Monaten der NS-Herrschaft ausgeschlossen wurden. Zwar durften die beiden ihre Zulassung zunächst behalten, ihre Rechte wurden aber stark eingeschränkt. Und mehr noch: 1938 wurden sie verhaftet und im KZ Buchenwald inhaftiert.

Unter den zahlreichen Gästen der Stolperstein-Enthüllung war auch Ulrike Gote, die als Erste Beigeordnete des LWV Hessen auf die enge Verbindung des Verbands zum Projekt Stolpersteine verwies: Zum einen, weil das Haus von Familie Dellevie auf dem heutigen LWV-Gelände stand. Zum anderen, weil der LWV es sich neben seinen Kernaufgaben wie der Eingliederungshilfe von Menschen mit Behinderung zur Aufgabe gemacht hat, mit seinem Archiv und mehreren Gedenkorten an Vergangenes – auch aus der dunklen Zeit des Nationalsozialismus – zu erinnern.

Der verlegte Stolperstein gehört zum gleichnamigen Projekt von Gunter Demnig. Seine im Boden eingelassenen Gedenktafeln sollen an Menschen erinnern, die im Nationalsozialismus verfolgt, vertrieben und ermordet wurden. Seit 1992 hat der Künstler rund 100.000 Stolpersteine in ganz Europa verlegt, jetzt sind eine Reihe weiterer Erinnerungssteine in Kassel verlegt und enthüllt worden, darunter auch der für Dr. Alfred Dellevie in unmittelbarer Nähe der LWV-Zentrale in Kassel.

DER TOD VERHINDERTE DIE GEPLANTE AUSWANDERUNG

Doch zurück zum Lebensweg von Dr. Alfred Dellevie. 21942: So lautete seine Häftlingsnummer im KZ Buchenwald. Zwar verbrachte er dort nur wenige Wochen, musste aber in dieser Zeit Leid, Erniedrigung und auch den Tod anderer Häftlinge miterleben. Nach seiner Entlassung wurde ihm die Zulassung als Anwalt gänzlich entzogen, lediglich jüdische Klienten durfte er als so genannter „Konsulent“ noch beraten. 1941 plante Alfred Dellevie offenbar seine Auswanderung in die Schweiz. Doch dazu kam es nicht mehr. Er starb am 3. April 1941. Das Haus, in dem die Familie Dellevie damals am Ständeplatz lebte, gibt es heute nicht mehr.

Zur feierlichen Enthüllung des Stolpersteins, die der Verein Stolpersteine in Kassel e.V. organisiert hatte, berichteten Schülerinnen und Schüler des Kasseler Wilhelmsgymnasiums über die tragische Lebensgeschichte von Dr. Alfred Dellevie. „Er war Schüler des Wilhelmsgymnasiums, genau wie wir. Das ist der Grund, warum wir an ihn erinnern wollen“, sagte Jantina Altmann. Berührend waren auch die musikalischen Beträge der Klasse 6e. Man habe bewusst Lieder jüdischer Komponistinnen ausgewählt, erklärte Lehrerin Maria Weber-Krüger: „Es führt über den Main“ von Felicitas Kukuck sei ein Sinnbild dafür, dass man den Tod überwinden kann und Ilse Webers „Wiegala“ entstand während deren Zeit im KZ Theresienstadt.

Ulrike Gote, Erste Beigeordnete des LWV, betonte die Wichtigkeit des Gedenkens und der Erinnerung. So leiste auch die Gedenkstätte Breitenau, die heute in Räumlichkeiten der LWV-Tochter Vitos ihren Sitz hat, hierzu einen wichtigen Beitrag. In dem ehemaligen Kloster waren unter der NS-Herrschaft politisch Andersdenkende und jüdische Menschen inhaftiert worden. Gote gedachte zudem der vielen Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung, die zwischen 1941 und 1945 in der damaligen Tötungsanstalt Hadamar bei Limburg ermordet wurden: „Die Gedenkstätte Hadamar – Träger ist der LWV – erinnert an das Geschehen dort. Genau, wie es auf ihre Weise die Stolpersteine tun.“

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