Ein Mann mit rotem Pullover und Brille sitzt an einem Büroarbeitsplatz. Er trägt ein Headset und links von ihm auf dem Tisch steht sein Telefon.
Niklas Skotarek ist einer von 247 schwerbehinderten Mitarbeitenden beim LWV Hessen.

„Der Job hier bereitet mir echt große Freude!“

LWV beschäftigt mehr als 15 Prozent Schwerbehinderte

Um Menschen mit starken Beeinträchtigungen im Arbeitsleben zu unterstützen, sind Arbeitgeber mit 20 oder mehr Arbeitsplätzen gesetzlich verpflichtet, mindestens fünf Prozent schwerbehinderte Menschen und diesen gleichgestellten behinderte Menschen zu beschäftigen. Der LWV Hessen ist hier besonders vorbildlich. Im vergangenen Jahr lag der Anteil schwerbehinderter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erneut über 15 Prozent. Stellvertretend für viele andere stellen wir Niklas Skotarek und Birgit Riester vor – zwei LWV-Beschäftigte, die ihren individuellen beruflichen Weg gefunden haben.

Angst vor dem Telefonieren dürfe man in seinem Job nicht haben, sagt Niklas Skotarek. In der LWV-Telefonzentrale hat er an diesem Vormittag schon mehr als zehn Anrufe entgegengenommen – und seine Schicht hat gerade erst begonnen. Souverän fragt er Daten ab und leitet die Anrufer an die zuständigen Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter weiter. „Manchmal geht das ganz schnell, manche Fälle sind auch komplizierter. Zum Beispiel dann, wenn der passende Gesprächspartner in dem Moment nicht erreichbar ist und vielleicht auch gerade die Vertretung nicht ans Telefon gehen kann“, erzählt er.

VIELE VORSTELLUNGSGESPRÄCHE, OFT NICHT ERNST GENOMMEN

Seit drei Jahren arbeitet der 27-Jährige, der von Geburt an eine Gehbehinderung und eine Bewegungseinschränkung der linken Hand hat, beim LWV. Der Weg zur festen Beschäftigung sei allerdings nicht einfach gewesen, erzählt Niklas Skotarek: „Ich hatte einige Vorstellungsgespräche bei Unternehmen, aber oft fühlte ich mich nicht ernst genommen.“ Beim LWV sei das anders. Hier habe er das Gefühl, wertgeschätzt zu werden und eine wichtige Arbeit zu leisten: „Der Job hier bereitet mir echt große Freude.“

Tatsächlich ist Niklas Skotarek an einer sehr wichtigen Stelle innerhalb der Zentralverwaltung in Kassel tätig: Sein kleines Büro befindet sich direkt an der Pforte. Hier geht er ans Telefon, wenn Menschen die zentrale Telefonnummer des LWV wählen. Durch ein Fenster in der Glasscheibe ist er außerdem erster Ansprechpartner für Besucherinnen und Besucher und weist ihnen den Weg durchs Gebäude. Er nimmt Lieferungen an und beantwortet E-Mails. „Das Schöne ist, dass man jeden Tag neu startet und sich keine Arbeit ansammelt“, sagt er.

Dass Niklas Skotarek über das Berufsbildungswerk eine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement absolviert hat, kommt ihm hier in vielen Bereichen zugute. Überhaupt ist seine Behinderung im Arbeitsalltag kein Nachteil. Lediglich für Tätigkeiten am Computer nutzt er eine spezielle Einhand-Tastatur, bei der die Tasten näher zusammenliegen als bei den üblichen Modellen. Zur Arbeit kommt der junge Mann, der in einem Dorf bei Witzenhausen wohnt, täglich mit dem Taxi, weil die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich ist. Finanziert werden die Fahrten über Leistungen der Agentur für Arbeit, er zahlt einen Eigenanteil.

GESETZLICHE QUOTE BEIM LWV DEUTLICH ÜBERTROFFEN

Arbeit sei ein wesentlicher Faktor für Teilhabe, betont LWV-Landesdirektorin Susanne Simmler: „Menschen mit Schwerbehinderung haben bei uns Jobs gefunden und wir empfinden sie in unserer Belegschaft als große Bereicherung.“ Sie sei stolz darauf, dass der LWV auch in diesem Jahr wieder die vorgegebene gesetzliche Quote deutlich übertroffen habe. In Zahlen bedeutet das: Zum Jahresende 2024 waren 247 Menschen mit Schwerbehinderung beim Landeswohlfahrtsverband Hessen tätig. Das entspricht einem Anteil von 15,47 Prozent aller Mitarbeitenden und somit ist die Vorgabe um 165 Arbeitsplätze deutlich übertroffen.

Eine Frau mit lockigen, dunklen Haaren und einer bunten Halskette schaut freundlich und einladend in die Kamera.
LWV-Landesdirektorin Susanne Simmler (Foto: Rolf K. Wegst).

Der Kommunalverband möchte auch andere Unternehmen und Arbeitgeber ermutigen, Menschen mit Schwerbehinderung zu beschäftigen: „Wir dürfen nie nachlassen in dem Bemühen, schwerbehinderten Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Beschäftigung anzubieten und dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen. Als LWV und als Integrationsamt sind wir die richtigen Ansprechpartner rund um die Arbeitswelt, denn wir stehen in regelmäßigem Austausch mit allen Beteiligten“, bekräftigt Landesdirektorin Simmler. „Gemeinsam, vielfältig wie wir sind, können wir die Herausforderungen der Zukunft am besten meistern – auch auf einem Arbeitsmarkt, der von Fachkräftemangel gekennzeichnet ist.“

BEHINDERUNG IST KEIN NACHTEIL

Auch Birgit Riester, die seit ihrem 15. Lebensjahr voll erblindet ist, hat einen solchen Arbeitsplatz. Als Juristin kümmert sie sich beim LWV innerhalb der Abteilung Grundsatz und Steuerung im Rahmen der Eingliederungshilfe um Rechtsangelegenheiten und Prozesse – sei es in der internen Rechtsberatung oder bei Klageverfahren vor Gericht. Ein Nachteil sei ihre Behinderung nicht, sagt sie. Vielmehr sei alles eine Frage der Organisation, der Hilfsmittel und des guten Hinhörens.

Als Kind hatte Birgit Riester ihr vollständiges Sehvermögen, erblindet ist sie in ihrer Jugend infolge einer Netzhautablösung: „Heute betrachte ich das – wenn man das so sagen kann ­– als guten Zeitpunkt. Ich hatte eine unbeschwerte Kindheit ohne Einschränkung, gleichzeitig ist man in diesem Alter noch sehr anpassungs- und lernfähig.“ Ihr Abitur machte die heute 56-Jährige schließlich in Marburg an einem Gymnasium, das auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Sehbehinderung ausgerichtet ist.

„Dort lernte ich auch, wie man sich mit einem Langstock in der Umgebung orientiert und das eigene Gehör schult.“ Es folgte ein Jurastudium in Gießen und ein Referendariat in Kassel, wo sie heute mit ihrer Familie wohnt. Auch sportlich hat die Mutter von drei Söhnen Erfolge eingefahren: Im Tischball – am ehesten vergleichbar mit Tischtennis –, das mit einem für Blinde hörbaren rasselnden Ball gespielt wird, war sie 2017 Deutsche Meisterin, heute trainiert sie noch ein- bis zweimal pro Woche im Verein.

DIGITALE TOOLS UND ASSISTENTIN UNTERSTÜTZEN

In ihrem Arbeitsalltag sei sie sehr auf das gesprochene Wort angewiesen, sagt Birgit Riester. Akten und E-Mails lässt sie sich mit Hilfe eines speziellen Computerprogramms vorlesen. Zudem steht ihr mit Martina Rathmann jeden Tag für mehrere Stunden eine persönliche Assistentin zur Verfügung, die bei Bedarf Akten einscannt und Informationen vorliest. „Digitale Barrierefreiheit ist für uns Menschen mit Sehbehinderung ein sehr großes Thema“, erklärt die Juristin. Der LWV sei hier bereits sehr gut aufgestellt.

Doch generell wünsche sie sich noch mehr Aufklärung, um die beruflichen Chancen von Blinden und Sehbehinderten zu verbessern. Die Tatsache, dass Arbeitsassistenz und individuelle Hilfsmittel – zum Beispiel eine Braillezeile, ein Computer-Ausgabegerät, bei dem Zeichen in Brailleschrift dargestellt werden – zum großen Teil von den Trägern der beruflichen Rehabilitation oder den Integrationsämtern übernommen werden, sei unter Arbeitgebern noch zu wenig bekannt.

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