Sie ist eine ganz besondere Mitarbeiterin für die Hermann-Schafft-Schule in Homberg (Efze): Pia Stawinoga hat die Schule für Hör- und Sehgeschädigte einst selbst besucht. Heute arbeitet die gehörlose junge Frau als Erzieherin im Unterricht und im Internat. Und die Vorgesetzten sind voll des Lobes. „Sie ist eine ganz tolle Kollegin“, sagt der LWV-Verwaltungsleiter Joachim Baier. Wichtig sei sie auch als Vorbild für die Jugendlichen: „In der Peergroup-Arbeit ist sie wirklich eine Vorreiterin“, berichtet Konrektorin Stephanie Gonther, die ihre Arbeit „einfach grandios“ findet.
Die 23-jährige Erzieherin ist seit ihrer Geburt gehörlos. Sie trägt ein Cochlea-Implantat, telefonieren ist aber nur mit einer App möglich. Und bei mehreren Gesprächspartnern wird es ebenfalls schwierig: „Wenn alle durcheinander sprechen, höre ich einfach nichts“, sagt sie. Deswegen sind immer Gebärdendolmetscher dabei, wenn Schulkonferenzen oder Teamsitzungen anstehen.
Ihre Ausbildung zur Erzieherin hat sie an einer Fachschule im schleswig-holsteinischen Rendsburg gemacht. Nachdem sie in einer Krippe, im Kindergarten und in der Vorschule tätig war, wechselte sie 2022 zu den Jugendlichen der Hermann-Schafft-Schule. Seitdem unterstützt sie die Lehrenden in der Gebärdensprachklasse in Mathe, Deutsch, Englisch und im Projektunterricht. Sie hilft den Teenagern zum Beispiel dabei, Texte zu verstehen und zeigt ihnen Apps, die Fachvokabular in Gebärden übersetzen. Manchmal übernimmt sie sogar den Unterricht, wenn Lehrkräfte ausfallen.
Pia Stawinoga findet es wichtig, Wissen und Bildung weiterzugeben. Es geht ihr aber vor allem um die sozialen Belange der Jugendlichen, die ihr viel aus ihrem Alltag erzählen. „Sie wissen, dass sie mir vertrauen können“, sagt die Erzieherin. Zudem arbeitet sie an drei Nachmittagen in der Woche im zur Schule gehörenden Internat, wo sie Hausaufgaben betreut, mit den Jugendlichen kocht und Ausflüge organisiert. Dort hat sie neue Regeln eingeführt: Neuerdings dürfen die Jugendlichen einmal in der Woche Süßigkeiten kaufen. Andererseits wird die Ordnung in den Zimmern inzwischen von den Erziehern kontrolliert. Schließlich gehe es darum, selbstständig zu werden, sagt Stawinoga.
Sie selbst kann sich gut vorstellen, noch eine Ausbildung als Gebärdensprachdozentin zu machen. Sie gibt bereits Kurse in Gebärdensprache in Baunatal. Gelegentlich übersetzt sie Poesie in ihre Sprache. Pia Stawinoga wünscht sich, dass die Jugendlichen selbstbewusst durchs Leben gehen: „Ich möchte nicht, dass sie sich von den Hörenden unterbuttern lassen.“