Eine junge Frau im Profil, wir sehen die rechte Kopfhälfte und ihre Hörprothese, ein Cochlea-Implantat.
Ohne ihre Cochlea-Implantate ist Sina Döhne vollkommen gehörlos (alle Fotos: Sidney Mayer).

„Die Sina schafft das!“

LWV beschäftigt mehr als 15 Prozent Schwerbehinderte

Arbeitgeber mit 20 oder mehr Arbeitsplätzen sind gesetzlich dazu verpflichtet, wenigstens fünf Prozent schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Der LWV Hessen schafft für das Jahr 2023 sogar wieder einen Anteil von mehr als 15 Prozent, so die aktuellen Zahlen, die jetzt im Verwaltungsausschuss vorgelegt worden sind. Wir stellen zwei unserer Kolleginnen mit Schwerbehinderung vor.

„Ich habe mich immer der Herausforderung gestellt, gleich zu sein – auch wenn ich es nicht bin“, sagt Sina Döhne. Die 21jährige kam taub zur Welt. Als Kleinkind bekam sie in zwei Operationen Cochlea-Implantate, also spezielle Hörprothesen, eingesetzt. Aufgrund intensiven logopädischen Trainings bis zu ihrem 14. Lebensjahr und mithilfe eines Hörgeräts – eines, wie Sina sagt, Soundprozessors, der ihr Gehirn mit elektrischen Impulsen versorgt ­ kann sie heute hören. Allerdings habe sie diese Fähigkeit mühsam erlernen müssen. Heute geht die junge Frau, die in Schauenburg lebt und einen Grad der Behinderung von 100 hat, ihren eigenen Weg. Sie macht ein duales Studium in Allgemeiner Verwaltung an der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit in Kassel und ist Inspektoranwärterin beim LWV.

„Als ich 2022 an der Kasseler Friedrich-List-Schule mein Abi bestanden habe, ist meiner Mutter ein Stein vom Herzen gefallen“, sagt Sina Döhne. Dabei habe es daran eigentlich nie Zweifel gegeben. Sina war immer eine gute Schülerin. Die Zuversicht des Vaters war stets unerschütterlich: „Die Sina schafft das“, sei noch heute sein Standardspruch. Und Sina musste in ihrem jungen Leben schon einiges schaffen.

SELBSTBEWUSST UND OFFENSIV MIT BEHINDERUNG UMGEHEN

Die Eltern entschieden sich für eine inklusive Schulbildung ihrer Tochter. Sina besuchte ausschließlich Regelschulen. „Dass ich mit meinen Freundinnen und Freunden aus dem Kindergarten zur Grundschule gehen durfte, hat mir Vieles erleichtert“, sagt Sina.  „Meine Eltern hatten die Schulwahl davon abhängig gemacht, wie ich mich fühle und wie meine Noten sind.“ Sie brachten ihrem Kind bei, immer offensiv mit der Behinderung umzugehen, darüber zu informieren und selbstbewusst Bedürfnisse zu äußern, etwa zu reklamieren, dass sie, um besser hören zu können, in der ersten Reihe sitzen müsse. 

Heute ist Sina nahezu uneingeschränkt unterwegs. Mithilfe ihres I-Phones kann sie sich über Bluetooth sogar Musik direkt aufs Hörgerät senden. Auch für die Arbeit ist das Smartphone hilfreich. Demnächst stattet der LWV ihren Arbeitsplatz mit einem speziellen Hilfsmittel aus, damit sie Telefongespräche direkt über das Hörgerät führen kann.  Nur eines macht Sina trotz ausgefeilter Technik nach wie vor zu schaffen und das sind Schall- und Nebengeräusche. Zwar gibt es auf dem Smartphone die Funktion „Forward Focus“, um Umgebungsgeräusche herauszufiltern, dennoch seien Orte mit vielen Geräuschen, wo Menschen gleichzeitig redeten, „extrem anstrengend“ für sie. „Deshalb sieht man mich auch so selten in der LWV-Kantine.“ Im Büro seien sie nur zu zweit. „Mit der Kollegin verstehe ich mich prima“, sagt Sina und fügt lachend hinzu: „Sie hat eine schöne laute Stimme.“

„MUSTERSCHÜLER“ LWV

Volker Kossin, Fachbereichsleiter Personal beim LWV, sagt: „Man darf nie nachlassen in dem Bemühen, schwerbehinderten Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Beschäftigung anzubieten und dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen.“ Vor allem jungen schwerbehinderten Menschen sollten möglichst nach der Schulzeit in verschiedenen Bereichen Ausbildungsplätze angeboten werden mit dem Ziel, sie nach Abschluss der Ausbildung in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen, so Kossin: „Gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel müssen alle Potentiale, die sich bieten, ausgeschöpft werden.“

Und natürlich geht der Kommunalverband, der auch Träger des Integrationsamtes ist, mit gutem Beispiel voran: Seit März 2001 hat er sich freiwillig verpflichtet, mindestens sechs Prozent seiner Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten oder ih­nen gleichgestellten behinderten Menschen zu besetzen. Inzwischen überschreitet der LWV seine selbst auferlegte Quote in jedem Kalendermonat um über acht Prozentpunkte.  „Der LWV ist Musterschüler bei der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen“, stellt Sprecher Bernd Bark fest.

Die Quote für das Jahr 2023 belief sich auf über 15 Prozent und bewegt sich damit auf dem Niveau der Vorjahre, so die aktuellen Zahlen aus dem LWV-Verwaltungsausschuss. Der Gesetzgeber forderte im Dezember 2023 für den LWV 82 Pflichtarbeitsplätze. Die tatsächliche Anzahl der mit schwerbehinderten, ihnen gleichgestellten behinderten Menschen oder mehrfach anrechenba­ren Personen besetzten Arbeitsplätze belief sich auf 241. Das ist eine Übererfüllung der Vorgabe um 159 Arbeitsplätze.

„DIE ARBEIT MACHT MIR SPASS.“

Einer dieser Arbeitsplätze findet sich auch in der der Buchbinderei und Druckerei des LWV. Versiert sind die Handgriffe, wenn Anita Küken ruhig und konzentriert, wie es ihre Art ist, die frisch gedruckten Seiten eines Bildungsprogramms mit einer Spiral-Bindemaschine zusammenheftet, an der Schneidemaschine Papierbögen zu einem Sonderformat zuschneidet oder Kartons nutet, damit sie anschließend zu Briefkarten gefalzt werden können. Auch Post öffnet sie und scannt die Briefe ein. Ihre Aufgaben seien nie langweilig, sagt Anita Küken und betont: „Die Arbeit macht mir Spaß.“

Mit den in der Druckerei täglich anfallenden Tätigkeiten kennt sich die 63-Jährige aus. Seit 34 Jahren ist sie festes Teammitglied und arbeitet ihrer Kollegin Kirstin Kühn und ihrem Kollegen Ulrich Möller zuverlässig zu. „Ihre Unterstützung ist für uns eine enorme Erleichterung“, sagt Kühn.

JETZT ERSTMAL FUSSBALL-EM SCHAUEN

Anita Küken hat einen Grad der Behinderung von 90: Sie hat zum Großteil eine geistige Behinderung und zu einem geringeren Teil eine Hörbehinderung. „Es ist mir wichtig, eigenes Geld zu verdienen und nicht anderen Leuten auf der Tasche zu liegen“, sagt die alleinstehende Frau, die in Espenau in ihrem Elternhaus lebt: „Ich muss ja auch meine Stromrechnung bezahlen.“  Weil sie Frühaufsteherin ist, nutzt Anita Küken die Möglichkeit der Gleitzeit, um schon um 6 Uhr ihren Dienst anzutreten. Mit der Regiotram fahre sie direkt zur Arbeit und wieder zurück. Schon ab 15.30 Uhr könne sie ihren Feierabend genießen. Dann spiele sie gerne am Computer und schaue fern. Nach den Vorabendserien folge – bevor es früh zu Bett geht – immer noch die Tagesschau. Für die nächsten drei Wochen hat sie Urlaub angemeldet, denn dann ist bei ihr die Fußball-EM angesagt.  

Gelernt hat Anita Küken, die als Kind eine, wie sie selbst sagt, „Sonderschule“ in Hofgeismar besucht hat, ihre Buchbinder-Fähigkeiten in den Baunataler Werkstätten. „Beim LWV verdiene ich mehr als in der Werkstatt“, erklärt sie. Wohlverdient hat sie sich jetzt nach über drei Jahrzehnten Beschäftigung auch ihre Rente. Die trete sie im nächsten Jahr an, und darauf freue sie sich schon. Dann bleibt künftig auch noch mehr Zeit für das Schauen großer Sportevents.

 

 

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2 Kommentare

  1. Hallo,
    Anita Küken kenne ich schon sehr, sehr lange aus meiner aktiven Zeit. Durch meine Tätigkeiten (Ref. Öffentlichkeitsarbeit und Büro VV, wie es damals noch hieß) hatte ich oft mit der Hausdruckerei zu tun. Dabei habe ich Frau Küken als sehr freundliche und hilfsbereite Mitarbeiterin kennen- und schätzen gelernt, die trotz ihrer Beeinträchtigung eine gewisse humorvolle Schlagfertigkeit besaß. Die hat uns auch viele nette Gesprächen beschert.
    Wenn es irgendwie machbar ist, bitte ich Frau Küken von mir zu grüßen und ihr für den schon „in Sichtweite“ befindlichen Ruhestand alles Gute zu wünschen. Vielen Dank und Grüße an alle, die mich noch kennen!
    Ihr Dieter Mühlhausen

    1. Hallo Herr Mühlhausen,

      herzlichen Dank für Ihren Kommentar. Wir werden ihn gerne an Frau Küken weitergeben.

      Viele Grüße vom LWVblog-Team.

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